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Gesprächspartner - Streitgespräch zwischen dem nach Freiheit strebenden Dichter Schiller
und den auf Ausgleich bedachten Hofprediger Pfranger

Friedrich Schiller lebte schon einige Monate in der Abgeschiedenheit in Bauerbach. Der damals 23jährige Dichter suchte
eine anregende Gesellschaft, die seinen poetischen Ideen und seiner literarischen Schaffenskraft förderlich waren.

Wilhelm Reinwald, Herzogl. Sächsischer Bibliothekar, in Meiningen war über den Aufenthalt
Friedrich Schillers in Bauerbach von Henriette von Wolzogen eingeweiht.

Reinwald war zugleich Schillers * Verbündeter, *später ein Freund und* sein Schwager durch die Heirat mit seiner
Schwester Christophine*, Versorger mit allem Notwendigen wie: Bücher zur Ausleihe aus der Meininger
Hofbibliothek, Papier und Tinte sowie seinem Lieblingsschnupftabak Sorte Marokko.

In der Gesellschaft von Bibliothekar Reinwald lernte Friedrich Schiller den damalige Hofprediger Pfranger kennen.
Die Frage der Gleichwertigkeit der Weltreligionen wurde zu der Zeit auch unter den evangelischen Geistlichen des Meininger
Landes diskutiert. So fand Schiller in den Pfarrhäusern der umliegenden Dörfer Gesprächspartner zu diesen Themen, die auch
ihn selbst interessierten.


Zu seinen Gesprächspartnern gehörten:

Pfarrer Freisslich
aus Bibra, der auch in der Kirche in Bauerbach predigte;
Pfarrer Sauerteig
in Walldorf, mit dem er Bekanntschaft gemacht hatte, als er zu Verwandten der
Henriette von Wolzogen auf dem dortigen Gut im Januar 1783 eingeladen war;
Christoph Rasche,
Pfarrer in Untermaßfeld;
Georg Ludwig Scharfenberg,
Pfarrer in Ritschenhausen und
Johann Georg Pfranger und dessen Frau Albertine,
zu denen sich eine engere und wärmere Beziehung entwickelt hatte.

Der oft ungestüme, nach Freiheit strebende Dichter und der auf Ausgleich bedachte lutherische Hofprediger waren
keineswegs in allen Dingen einer Meinung. Über Lessings Drama “Nathan der Weise” gerieten sie in Streit, worauf der
Hofprediger an Schiller die Frage richtete: ”Sie sind wohl auch der jetzt immer überhandnehmenden Freigeisterei zugetan,
welche nichts für so überflüssig hält als die christliche Kirche?”


Schiller entgegnete ihm:

“Das durchaus nicht, ich ärgere mich im Gegenteil darüber, dass so viele Christen sich
so wenig aus ihrer Kirche machen, während, wie ich in Walldorf und Bauerbach sehe, die Juden sehr eifrig in ihrem
Gottesdienst sind. Ich ärgere mich namentlich darüber, dass in Bauerbach eine so schlechte Kirche ist, die man viel
eher für einen Holzschoppen als für ein Gotteshaus ansehen könnte.”


Aus Aufzeichnungen des Archidiakons A.W. Müller